16. Jahresveranstaltung 2024

Urheberrecht und Künstliche Intelligenz (KI)

Es war uns eine Freude, dass wir Sie am 28.05.2024 zur 16. Jahresveranstaltung des kölner forum medienrecht e.V. (kfm) begrüßen durften.

Tagungsbericht:


Am 28. Mai 2024 luden das kölner forum medienrecht e.V. und das Grimme-Forschungskolleg an der Universität zu Köln zu einer Tagung ein, die das hochaktuelle Thema „Urheberrecht und Künstliche Intelligenz“ behandelte. Juristen, Medienwissenschaftler, Kreative, Interessenvertreter und weitere Interessierte sorgten für einen bereichernden interdisziplinären Austausch, der neue Einblicke, Erkenntnisse und Perspektiven ermöglichte. In anregenden Debatten wurde die Frage ergründet, ob „KI als Verheißung und Bedrohung zugleich“ wahrgenommen werden könne, wie es Prof. Dr. Karl Nikolaus Peifer formulierte, der die zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch den Tag führte. Dabei mangelte es nicht an Anschauungsbeispielen, die das Potenzial Künstlicher Intelligenz verdeutlichten. So konnte man Henriette Reker, Oberbürgermeisterin der Stadt Köln, gleich zweimal am Tag sehen – in ihrem Begrüßungsvideo, ebenso wie in einem Video, das im Rahmen eines Vortrags von Corinna Kamphausen, Geschäftsführerin der Eyes & Ears of Europe, und Michael Zschiesche, Geschäftsführer der Klimek Schneider GmbH, gezeigt wurde. In letzterem Video überraschte, dass Reker ihren Ostergruß 2020 in scheinbar perfektem Französisch übermittelte, was natürlich daran lag, dass man solche Botschaften mittlerweile nicht nur in Echtzeit übersetzen, sondern auch mit der akzentfrei eingesetzten Originalstimme übermitteln kann.


Beispiele wie diese werfen viele Fragen auf, die mitunter über das Rechtliche hinausgehen und gesellschaftliche wie ethische Grundlagen berühren. Wie beeinflusst KI Kreativität? Kann KI Kunst ersetzen? Muss das Urheberrecht neu gedacht werden? Wie verändern sich Medien und das Vertrauen der Menschen in diese durch KI? Stehen wir auch hier vor einer „Zeitenwende“? In der Ergründung dieser Fragen gab Prof. Michael Schwertel von der CBS International Business School erste Inputs. Seine Auftakt-Keynote trug den Titel „Künstliche Intelligenz und kreative Leistungen in Journalismus, Kunst und Wissenschaft – Nützliches Werkzeug oder Entmenschlichung des Schöpferischen?“. Sie bot einen zunächst optimistischen Ausblick auf die Auswirkungen der noch jungen Technologie. So bewertete Schwertel zwar das immense Tempo, in dem sich KI entwickle und verbessere, als Risiko – insbesondere, weil es den Menschen erschwere, sich die neue Technologie anzueignen und die Gefahr der Überforderung berge, Innovationen also auch ignoriert werden können. Schwertel zeigte aber auch das immense Potenzial von KI auf. Man müsse erkennen, dass alles möglich sei, und der Mensch sich unbedingt einbringen müsse, um nicht die Chance zu verpassen, KI auch zum Vorteil der Menschheit zu nutzen. Offenheit und Akzeptanz, Lernbereitschaft und kritische Beobachtung seien dabei unerlässlich.


Im Anschluss wurden in mehreren Vorträgen unterschiedliche Anwendungsfelder von KI ergründet, um die Möglichkeiten und Auswirkungen Künstlicher Intelligenz auf Kreative genauer zu beleuchten. Der Komponist und Musikproduzent Matthias Hornschuh illustrierte, wie KI in der Musikproduktion eingesetzt wird. Professionelle Musikproduzenten, so Hornschuh, würden kaum auf generative KI Tools zurückgreifen und sehr oft würden in diesem Bereich nur Lösungen für Probleme angeboten, die man nicht habe. Dennoch bestehe die Gefahr, dass man als professioneller Musikproduzent durch Erzeugnisse von KI-Applikationen wie Udio und Suno ersetzt werde. Die Nachfrage nach Musikproduktionen aus menschlicher Hand sei aber dennoch nicht gesunken: Auch in Zukunft müssten KI mit menschlichen Daten trainiert werden. Hornschuh plädierte daher für ein System, das auf den Pfeilern „consent, credit, compensation and control“ aufbaut, um eine faire Berücksichtigung der Künstlerbelange zu gewährleisten.


Kamphausen und Zschiesche boten den Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmern sodann beeindruckende Beispiele über die Rolle von KI in audiovisuellen Medien. Das Potenzial von Audio-KI, bildgenerativer KI und Video-KI wurde aufgezeigt. Besonders eindrucksvoll war ein Video vom Referenten Zschiesche selbst, in dem er mit lebhafter Mimik und Betonung auf das bisherige Tagungsgeschehen einging – ein Video, das erst Minuten zuvor generiert wurde.


Oliver Hinz, Gründer von haushinzki.de, führte sodann in die Möglichkeiten ein, die die Nutzung von KI im Radio bringt. Er zeigte anschaulich auf, wie schon heute KI im Radio genutzt wird, um synthetische Stimmen zu generieren, Skripte zu erstellen, O-Töne zu identifizieren, Klangqualität zu verbessern oder Content besser international zu verbreiten.


Nach diesen spannenden Anwendungsbeispielen und Brancheneinblicken folgten mehrere Impulsvorträge mit anschließender Diskussionsmöglichkeit, die sich der Frage widmeten, inwieweit KI das Urheberrecht vor Herausforderungen stellt. Prof. Dr. Katharina de la Durantaye referierte zum Thema „Value als Input? Verwendung von Werken als Trainingsdaten – wer entscheidet? Welche Schranken gelten?“ und griff dabei insbesondere die aktuelle Diskussion rund um die Anwendbarkeit der TDM-Schranke und ihre Verknüpfungen zur KI-Verordnung auf. De la Durantaye schloss ihren Vortrag mit dem Lösungsvorschlag, die in der TDM-Schranke vorgesehene Löschpflicht zu eliminieren.


Der anschließende Vortrag von Prof. Dr. Martin Senftleben beschäftigte sich mit der Frage, ob und wie eine Vergütung für den KI-Output geregelt werden könne. Senftleben machte sich für eine kontinuierliche Vergütung der Urheber stark, die an dem Modell, das für Privatkopien gilt, angelehnt sein könnte. Das stelle sicher, dass die Interessen Werkschaffender, deren Erzeugnisse für den Input zwingend seien, hinreichend berücksichtigt würden, ein freies KI-Training aber trotzdem ermöglicht werde.


Sandra Freischem, Rechtsanwältin im Justiziariat der VG Bild-Kunst, bot wertvolle Einblicke in die Frage, wie Verwertungsgesellschaften derzeit mit dem Thema KI umgehen. Dabei sprach sie insbesondere die Sorgen der Mitglieder und die grundlegenden Entscheidungen an, die bereits jetzt von den Verwertungsgesellschaften getroffen werden mussten. Sie betonte den Wunsch, das Urheberrecht zu stärken und eine generelle Vergütungspflicht für die Nutzung von Werken für das KI Training einzuführen.


Nach der Pause durften die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer angeregten Diskussionsrunde, geleitet von Prof. Dr. Dieter Frey, LL.M. (Brügge), lauschen, in der Standpunkte und Reformbedarf zu KI und Urheberrecht herausgearbeitet wurden. Katharina Uppenbrink, Geschäftsführerin der Initiative Urheberrecht, äußerte sich gleich zu Beginn zu den Errungenschaften, vor allem aber Versäumnissen der rechtlichen Regulierung von KI und plädierte für eine Initiative, die sich mit Vergütungsansprüchen auseinandersetzen sollte. Ähnliche Wünsche fanden sich bei Dr. Christine Jury-Fischer, Geschäftsführerin der Verwertungsgesellschaft Corint Media GmbH, die betonte, dass die KI-VO letztlich handelsrechtlich und nicht urheberrechtlich motiviert sei und ein stärkerer Schutz der Kreativen wünschenswert wäre. Die Lizenzierung von Verwertungen, die letztlich zur Substitution der Rechteinhaber führen könnten, mache Verwertungsgesellschaften derzeit sehr vorsichtig. Einigkeit auf dem Diskussionspanel bestand allerdings darin, dass durch die KI-VO bereits jetzt mehr Rechtssicherheit gewonnen wurde und ein „Brüssel-Effekt“ ausgelöst werden könne. Dr. Christian Mayer-Seitz vom Bundesministerium der Justiz (Abteilung III: Handels- und Wirtschaftsrecht) führte die Transparenzpflichten als Beispiel für die Berücksichtigung urheberrechtlicher Belange in der KI Verordnung an. Eine Fortentwicklung des rechtlichen Rahmens sei zwar dringend notwendig, aber immerhin gebe es nun einen ersten, wertvollen abstrakten Rechtsrahmen. Im weiteren Verlauf der Diskussion wurden auch Konflikte innerhalb der Kreativbranche angesprochen, etwa eine bröckelnde Einheitsfront zwischen Verwertern und Urhebern. Unsicherheit bestehen noch in Bezug auf technische Aspekte des Sachverhalts, etwa die Frage, wie genau Trainingsprozesse ablaufen. Tabea Rößner, Mitglied des Bundestages für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Vorsitzende des Ausschusses für Digitales, betonte die hohe Relevanz von guter Datenqualität. Diese könne auch durch eine kollektive Vergütung derjenigen ermöglicht werden, die diese Daten bereitstellen. Die Relevanz einer fairen Vergütung wurde von allen Diskussionsteilnehmern als zentrale und bleibende Herausforderung herausgestellt. Ebenso erforderlich sei ein beständiger Diskurs, der auch die Erörterung technischer und rechtlicher Gegebenheiten betreffe. Eine Weiterentwicklung des Urheberrechts sei nötig. Frey schloss die angeregte Diskussion mit einer Korrektur seines einleitenden Statements: „Wir leben nicht in einer gefährlichen Zeit, wir leben in einer spannenden Zeit – einer spannenden Zeit für das Urheberrecht und für die Innovation, die durch KI ausgelöst wird.“


Der letzte Themenblock des Tages forderte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einem ganzheitlichen Blick auf das Thema KI und Kreativität auf, das nicht nur als rechtliches, sondern auch als gesellschaftspolitisches Problemfeld aufgefasst werden müsse. Andrée Haack, Kölner Dezernent für Stadtentwicklung, Wirtschaft, Digitalisierung und Regionales, gab hierfür, direkt aus dem „Maschinenraum der Stadt Köln“, einen Überblick über die KI-Strategien auf kommunaler Ebene. KI erfordere eine adäquate Ressourcenallokation und einen organisatorischen Wandel. Teil der grundlegenden Strategie der Stadt Köln sei es daher, dass jede neue digitale Ressource auch eine digitale Rendite einbringen müsse. So würde effektiv auf eine entschlackte und effizientere Verwaltung hingewirkt werden, die unter dem grundsätzlichen Leitbild des „Services am Bürger“ stünde – ein Abbau bestehender Stellen aufgrund von KI-Nutzung sei dabei aber nicht zu befürchten. Prof. Dr. Maximilian Becker hielt anschließend einen Vortrag mit dem Titel „Urheberrecht und Deepfakes in der KI-VO und in der neuen Datenordnung der EU“ und ging dabei mehreren Fragen nach. Einerseits stellte er die These auf, dass die Ausweitung des digitalen Urheberrechts durch KI zurückgedrängt werden würde. Die These, KI hätte keine echte Kreativität, bestritt er und wies darauf hin, dass die teilweise erhobene Forderung, die Urheberrechtsschutzschwelle zu erhöhen, gefährlich sei: oftmals sei KI sogar ein besserer oder innovativerer Schöpfer als der Durchschnittsurheber. Dann ging Becker der Frage nach, was menschliche Kunst eigentlich besonders mache. Hierbei hob er insbesondere hervor, dass es nur Menschen gelinge, das „Nicht-Kommunizierbare“ zu kommunizieren. Menschlichen Werken wohne eine besondere Authentizität inne und dem Urheberrecht komme insofern eine besondere Schutzfunktion zu. Hilfreich seien daher Kennzeichnungspflichten. Aufgrund der vielen Schwierigkeiten, die mit der Kennzeichnung KIgenerierter Inhalte einhergingen, sei allerdings eine Positivkennzeichnung authentischer Inhalte erstrebenswert. Becker schloss seinen Vortrag mit einem Plädoyer für eine humanistische Legitimation des geistigen Eigentums, die eine Privilegierung menschlicher Werke gegenüber maschinellen zum Prinzip erheben solle.


Der letzte Vortrag des Tages, gehalten von Dr. Erik Weiss von der Universität zu Köln, stand ganz im Zeichen ethischer Fragen um KI in der Kreativität. Weiss betonte die Bedeutung von Kunst und Kreativität nicht nur für die menschliche Selbstentfaltung, sondern auch für die gesamte freiheitlich verfasste Gesellschaft. Sie seien Motor für neue Ideen, Entwicklungen und gesellschaftlichen Fortschritt. Damit diese wichtige Rolle auch in Zukunft erfüllt werden könne, sei ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs über den Umgang mit „KI-Kunst“ notwendig.


Ein jedenfalls veranstaltungsinterner Diskurs fand anschließend beim gemeinsamen Ausklang im Lichthof des Spanischen Baus statt. Dort bot sich die Gelegenheit, die Veranstaltung bei Kölsch und Brezen Revue passieren zu lassen – an Gedankenanstößen und Gesprächsimpulsen mangelte es nicht. Es darf mit Spannung verfolgt werden, wie das Themenfeld rund um KI und Urheberrecht zukünftig rechtlich und politisch behandelt wird. Die 16. Jahresveranstaltung des kfm bot in jedem Falle interessante und vielseitige Einblicke in ein Feld, das einem beständigen Wandel unterworfen ist.

(Christina Schmitz, Doktorandin am Institut für Medienrecht und Kommunikationsrecht der Universität zu Köln)

Die Veranstaltung fand im Spanischen Bau des Rathauses zu Köln von 9:30-18:00 Uhr statt und stand unter dem hochaktuellen Thema „Urheberrecht und Künstliche Intelligenz (KI)“.

Programm:

09.30 – 09.40 Begrüßung | Oberbürgermeisterin Henriette Reker


09.40 – 10.00 Grußwort und Keynote | Minister Nathanael Liminski, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes NRW

Begrüßung und Eröffnung | Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer, Universität zu Köln
Technologische Entwicklung generativer KI – Möglichkeiten und Auswirkungen für Kreative

Technologische Entwicklung generativer KI – Möglichkeiten und Auswirkungen für Kreative

10.05 – 10.25 Keynote: Künstliche Intelligenz und kreative Leistungen in Journalismus, Kunst und Wissenschaft – Nützliches Werkzeug oder Entmenschlichung des Schöpferischen? | Prof. Michael Schwertel, CBS International Business School


10.30 – 11.00 Was passiert? – Anwendungsbeispiele


10.30 KI in der Musikproduktion | Matthias Hornschuh, Komponist für Filmmusik und Hörspielmusik, Musikproduzent in Köln

10.40 KI in audiovisuellen Medien | Corinna Kamphausen, Geschäftsführerin Eyes & Ears of Europe / Michael Zschiesche, Geschäftsführer der Klimek Schneider GmbH


10.50 KI im Radio | Oliver Hinz, Journalist, Gründer von haushinzki.de

11.00 – 11.15 Kaffeepause


Wer kontrolliert und wer bezahlt? – Herausforderungen an das Urheberrecht


11.15 – 11.30 Value als Input? Verwendung von Werken als Trainingsdaten – wer entscheidet? Welche Schranken gelten? | Prof. Dr. Katharina de la Durantaye, FU Berlin Fragen und Diskussion


11.45 – 12.00 KI-Output: Eine einzige Urheberrechtsverletzung – und wo bleibt die Vergütung? | Prof. Dr. Martin Senftleben, Universität Amsterdam Fragen und Diskussion



12.15 – 12.30 Was machen die Verwertungsgesellschaften? | Sandra Freischem, Rechtsanwältin, VG BildKunst Fragen und Diskussion

13.00 – 14.00 Mittagspause


Panel Standpunkte und Reformbedarf zu KI und Urheberrecht
14.00 – 15.30 Diskussion unter Leitung von Prof. Dr. Dieter Frey, LL.M. FREY Rechtsanwälte
• Kai Zenner, Head of Office and Digital Policy Adviser for MEP Axel Voss, EPP, European Parliament
• Dr. Christian Meyer-Seitz, Bundesministerium der Justiz (BMJ), Abteilung III: Handels- und Wirtschaftsrecht
• Dr. Christine Jury-Fischer, Geschäftsführerin der Verwertungsgesellschaft Corint Media GmbH
• Katharina Uppenbrink, Geschäftsführerin der Initiative Urheberrecht (IU)
• Tabea Rößner, MdB (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Vorsitzende des Ausschusses für Digitales im Bundestag


15.30 – 16.00 Kaffeepause

KI und Kreativität – rechtliches und gesellschaftspolitisches Problemfeld


16.00 – 16.15 KI-Strategien auf kommunaler Ebene | Andre Haack, Dezernent für Stadtentwicklung, Wirtschaft, Digitalisierung und Regionales

16.15 – 16.30 Urheberrecht in der KI-Verordnung und in der neuen Datenordnung der EU | Prof. Dr. Maximilian Becker, Universität Siegen


16.45 – 17.00 Ethische Fragen um KI in der Kreativität | Dr. Erik Weiss, Universität zu Köln

17.15 – 17.30 KI und Big-Data-Entwicklungen | Prof. Dr. Paulina Jo Pesch, Friedrich-Alexander- Universität Erlangen-Nürnberg


Schlusswort


18.00 Ende, Get-Together

Einladungsschreiben zum kfm 2024_Urheberrecht und künstliche Intelligenz

Programm des kfm 2024_Urheberrecht und künstliche Intelligenz